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Medizintechnik verlangt smarte Lösungen

Schlussbericht zur Compamed 2017

780 Aussteller aus 35 Ländern, noch mehr internationale Beteiligung und fast 20.000 Fachbesucher – die Compamed, Fachmesse der Medizintechnik-Zulieferer, bleibt in fester Parallelität zur weltgrößten Medizinmesse Medica (mehr als 5.100 Aussteller aus 66 Nationen/ Laufzeit 2017: 13. – 16. November) weiter in der Erfolgsspur.
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azu trägt zweifelsohne auch bei, dass die Zulieferer-Bereich der Medizintechnik-Industrie weiter auf ein stetiges Wachstum setzen kann. Digitalisierung und Miniaturisierung sind derzeit die wichtigsten Treiber, die u.a. die Mikrotechnik beflügeln. „Der Bedarf nach smarten, miniaturisierten Bauteilen für Medizinprodukte sowie nach effizienten und hochpräzisen Fertigungsverfahren wächst weiterhin rasant“, konstatiert der IVAM Fachverband für Mikrotechnik. Wie jedes Jahr war der Verband mit einem internationalen Produktmarkt unter dem Leitmotto „Hightech for Medical Devices“ bei der Compamed 2017 vertreten. Schlüsseltechnologien für die Spezialisten der kleinen Teile sind Mikrotechnologie, Nanotechnologie, Photonik, MEMS (Mikrosystemtechnik) und neue Materialien.

Mit diesen „Schlüsseln“ arbeitet auch HNP Mikrosysteme (HNPM), die auf so genannte Mikrozahnringpumpen für die Mikrofluidik spezialisiert ist, die kleine und kleinste Flüssigkeitsmengen äußerst präzise dosieren können. Zur Compamed präsentierte das Unternehmen mit dem `mzr-Touch Control´ eine neue Möglichkeit für die grafische Ansteuerung der Pumpen. Das kompakte Gerät hat eine einfache und intuitive Benutzeroberfläche und steuert jeweils eine Pumpe. Mit der Kombination aus Pumpe und Touch Control können Dosiermengen ab 0.25 μl und Förderbereiche zwischen einem Mikroliter und 288 ml pro Minute durch den Nutzer eingestellt werden. Mikrozahnringpumpen sind miniaturisierte Rotationsverdrängungspumpen mit einem außenverzahnten Innenrotor und einem innenverzahnten Außenrotor. „Diese exzentrisch gelagerten Rotoren bilden während der Drehbewegung zu jedem Zeitpunkt ein System von mehreren abgedichteten Förderkammern. In der Medizintechnik werden sie vor allem in der Diagnostik u. a. zur Blutprobenanalyse verwendet“, erklärt Dr. Dorothee Runge, bei HNPM im Bereich Life Science für den Technischen Vertrieb zuständig.

Schlaue, sterilisierbare „Erbsen“

Mit dem Trend Miniaturisierung hat auch das Fraunhofer-Institut für Elektronische Nanosysteme ENAS zu tun. Zur Compamed 2017 hatte das Institut das Projekt `Sens-o-Spheres´ mitgebracht, das mit dem Fachbereich Bioverfahrenstechnik der TU Dresden und Industriepartnern entwickelt wurde. `Sens-o-Spheres´ sind erbsengroße (etwa acht Millimeter im Durchmesser) Sensorkugeln für die Prozessüberwachung in Bioreaktoren vom Milliliter- bis in den Literbereich. Mit den derzeit kleinsten Temperatursensoren der Welt „an Bord“ bewegen sie sich frei im Reaktionsvolumen und liefern so kontinuierlich Messwerte aus allen Bereichen des Reaktors. „Wir können auch mehrere Spheren gleichzeitig einsetzen und so sehr viele Messdaten drahtlos erhalten“, sagt Tobias Lüke, Wissenschaftler am ENAS. Die schlauen, sterilisierbaren „Erbsen“ sollen zur Entwicklung und Verbesserung von Prozessen in der Pharmaund Life Science-Industrie beitragen. Ihre Energie erhalten sie in einem Ladevorgang über Nacht.
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Wieder laufen lernen dank Schuheinlagen mit Kraftsensoren

Ganz andere Anwendungen im Sinn haben die Kollegen des Fraunhofer-Instituts für Siliziumtechnologie ISIT bei ihrem Sensoreinsatz: Dabei handelt es sich um eine Kraftsensorschuheinlage, die das Gang- und Laufprofil durch die Messung der Druckverteilung ermittelt. Die Daten werden per Bluetooth zu einem PC oder Smartphone übertragen und akustisch oder grafisch ausgewertet. „Unsere Zielsetzung besteht darin, durch die akustische Ganganalyse zur Verletzungsprävention, zur Rehabilitation und zu besseren Ergebnissen im Freizeitsport beizutragen“, erläutert Lars Blohm, Forscher im Bereich Biosensortechnik/ Systemintegration am ISIT. Die Entwicklung wurde mit dem Sportmedizinischen Institut Hamburg vorangetrieben, weitere Ansätze sind die Messung von Temperatur und Feuchte.

Besondere Stärken in der Fertigung feinmechanischer Komponenten mit engen Toleranzen besitzt Beutter Präzisions-Komponenten. Das Unternehmen fertigt Einzelteile und Baugruppen für medizintechnische Instrumente, Prothesen und Implantate bis zur höchsten Risikoklasse III. „Wir stellen anspruchsvolle Kleinserien in Stückzahlen etwa zwischen 50 und 1.000 her und verfügen im Haus über alle zerspanenden Fertigungsverfahren wie Drehen, Fräsen, Schleifen und Honen“, berichtet Dr. Wolf-Dieter Kiessling, Geschäftsführender Gesellschafter bei Beutter. Für einen Kunden hat die Firma aktuell einen medizinischen Port, also einen subkutanen, dauerhaften Zugang zum Blutkreislauf, entwickelt. Er besteht aus einem Titanring und einer Silikonmembran, die bis zu 1.000 mal punktierbar ist. Beutter hat besondere Fähigkeiten bei der Bearbeitung schwieriger Materialien und ihrer Verbindung untereinander, die zudem insbesondere bei Gewebekontakt hohe Anforderungen hinsichtlich Biokompatibilität und Ermüdungsfestigkeit erfüllen müssen.

Nicht nur Metalle und Legierungen, sondern vor allem auch Kunststoffe sind wichtige Materialien für Produkte der Medizintechnik. Allerdings steigen die Anforderungen an Systeme und Baugruppen aus Polymeren beständig weiter. Seit über 30 Jahren ist der Kunststoffverarbeiter Riegler bemüht, dieser Herausforderung zu begegnen und stellt aktuell Formteile zwischen 0.007 und 800 g her. Dabei greift Riegler auch zu modernsten Fertigungsverfahren: „Wir folgen aktiv dem Trend 3D-Druck und haben unseren Kunden erste Prototypen vorgestellt. Uns geht es dabei nicht nur um Teile, sondern vor allem auch um Werkzeuge, die wir drucken“, sagt Dr. Thomas Jakob, Leiter Business Unit Medizintechnik bei Riegler. Dadurch lassen sich auch Prototypen schnell und kostengünstig fertigen.

Dänische Zulieferer mit eigenem Gemeinschaftsstand

Auf einem Gemeinschaftsstand vertreten waren bei der Compamed auch dänische Zulieferer der Medizingeräteindustrie, die in Düsseldorf modernste Fertigungs- und Komponententechnik zeigten. „Die Medizingeräteindustrie durchläuft derzeit weltweit einen Wandel, wobei Kostensenkung und Outsourcing auf der Tagesordnung stehen und ständige Neuerungen eine lebenswichtige Notwendigkeit sind“, sagt Thomas Andersen, Leiter der Danish Health Tech Group. So hat sich z. B. die Firma Knudsen Plast auf Kunststoff-Spritzgusslösungen für das Gesundheitswesen spezialisiert. Laut Frederic Bernard, Leiter der Geschäftsentwicklung bei der Knudsen Plast, lagern Medizingeräteunternehmen die Spritzgussprozesse und die Herstellung der Spritzgusswerkzeuge, die Prozessentwicklung und die Prüfung zunehmend aus und suchen daher die erforderlichen Fähigkeiten und Kompetenzen bei ihren Zulieferern. Das Versuchsund Produktanlaufzentrum der Knudsen Plast in Dänemark ermöglicht es den Medizingeräteunternehmen, die Produktionslinie für ihre Produkte vollständig zu prüfen und zu dokumentieren, bevor die Fertigung in Dänemark oder in dem slowakischen Werk von Knudsen anläuft.
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Glastechnologie für diagnostische Anwendungen

Weder Metalle noch Kunststoffe: Der Name Schott ist aufs engste verbunden mit dem Material Glas. Das Unternehmen hat seine Aktivitäten in der Medizintechnik unter dem Begriff Diagnostik zusammengeführt. Mit dem neuen Glassubstrat D 263 bietet Schott eine hochwertige Lösung für die optische Diagnostik und Biotechnologie an. Mikrofluidische Komponenten, die etwa bei der Genomsequenzierung oder der pharmazeutischen Forschung, benötigt werden, stellen besonders hohe optische Anforderungen. Das neue Glassubstrat von Schott erfüllt diese ideal: Es bietet eine zertifizierte Biokompatibilität und eine sehr geringe Autofluoreszenz, so dass fluoreszierende Marker nicht gestört werden.

Ein ganzes Labor im Taschenformat

Ein ganzes Labor im Taschenformat hat das Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik (IOF) entwickelt, mit dem sich künftig schnell und einfach – direkt zuhause – Krankheitsindikatoren im Blut nachweisen lassen. Benötigt wird dafür nicht länger ein Facharzt, sondern es reichen ein Wegwerf-Fluoreszenz-Chip und ein Smartphone. Innerhalb weniger Minuten, so die Vision der IOF-Forscher, lässt sich das Ergebnis per App auslesen, sobald ein Tropfen Blut auf den Chip gegeben wurde. Die industriell gefertigten Chips weisen kleine Kanäle auf, die vom IOF mit den nötigen Optiken bestückt werden. „Wir drucken eine Lampe sowie einen Photodetektor auf – und zwar über herkömmliche nur wenig modifizierte Tintenstrahldrucker“, erläutert IOF-Wissenschaftler Falk Kemper die einfache Herstellung. Der Trick dabei: Benutzt werden Spezialtinten, die mit fluoreszierenden Molekülen oder Nanopartikeln versetzt sind. Das Prinzip des Verfahrens: In den Kanälen befinden sich spezielle Ankermoleküle und Fluoreszenzfarbstoffe. Auf einen Chip, der z. B. Zöliakie (Gluten-Unverträglichkeit) aufdecken soll, passen ausschließlich die entsprechenden Krankheitsmarker und die Anker, alle anderen Moleküle werden weitergeschwemmt. Die Fluoreszenzfarbstoffe hängen sich zusätzlich an das Gebilde aus Anker und Marker, auch sie passen nur an diese eine Kombination. Die gedruckte Lampe regt den Farbstoff zum Leuchten an. „Sieht“ der Photodetektor also Licht, ist der Marker vorhanden, die betroffene Person leidet an Zöliakie. „Mit dem Druck per Tintenstrahler haben wir ein Verfahren, das Fluoreszenzsensoren schnell und kostengünstig herstellen kann, zudem spart es Material und Ressourcen, weil wir das Material nur gezielt dort aufbringen, wo es auch gebraucht wird“, fasst Kemper die Vorteile zusammen. Im nächsten Schritt sollen weitere Krankheitsmarker einbezogen werden.

Nanobeschichtung verringert Reibung von Dichtungen

Trelleborg Sealing Solutions ist einer der weltweit führenden Anbieter von Präzisionsdichtungen. In Düsseldorf zeigte das Unternehmen u. a. ein neuartiges Beschichtungsverfahren für Elastomere. Die resultierenden Schichten sind nur wenige hundert Nanometer dünn. Dadurch wird der sonst hohe Reibungskoeffizient von Elastomeren deutlich gesenkt und deren Gleiteigenschaften stark verbessert. Dies vereinfacht die Montage von Dichtungssystemen und steigert die Qualität und Lebensdauer medizintechnischer Geräte. Über die nanoskalige Beschichtung senkt Trelleborg die bisherige Schichtdicke um den Faktor zehn bis 50 gegenüber herkömmlichen Beschichtungssystemen. Da das neue Verfahren eine sehr hohe Stabilität aufweist, ist es resistent gegen die Sterilisation mit Gammastrahlen, Ethylenoxid oder Heißdampf. „Mit unserem Beschichtungsverfahren können wir klassische O-Ringe und komplexe Formteile hauchdünn im nanoskaligen Bereich überziehen. Die ursprünglichen Eigenschaften der Elastomere werden dadurch nur unwesentlich verändert und die Dichtungssysteme haben eine höhere Lebensdauer, da sich der Abrieb bei Dynamik reduziert“, sagt Andreas Schmiedel, Technical Manager Healthcare and Medical Europe bei Trelleborg Sealing Solutions.
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Verpackungen als Hightech-Lösungen für die Medizintechnik

Ein fester Bestandteil der Compamed sind Verpackungen, die gerade im medizinischen Bereich von besonderer Bedeutung sind. Das Unternehmen Multivac präsentierte diesmal u. a. Lösungen für das automatisierte Zuführen von vorgefüllten Glas- und Kunststoffspritzen, Handhabungsmodule und Trägersysteme. Die Automatisierungskomponenten erlauben das kontrollierte und prozesssichere Einbringen von bis zu 3.000 Spritzen pro Minute in die Packungsmulden. Alle Module sind mit den Tiefziehverpackungsmaschinen synchronisiert und lassen sich über ihr Bedienterminal komfortabel steuern. Das breite Portfolio von Multivac umfasst eine Vielzahl an Bändern, Träger- und Zuführsystemen, die je nach zu verpackendem Produkt individuell zugeschnitten werden können. Beispielsweise lassen sich Nadeln und Plunger, die als Bulkware bereitgestellt werden, mittels Vibrationstöpfen und Zentrifugen separieren und der oder den Verpackungsmaschinen übergeben. So gelangen Spritzen, Beutel, Ampullen oder Vials letztlich per Roboter in ihre vorgesehenen Packungsmulden.

Das Thema Automatisierung haben sich auch Unternehmen wie Xenon auf die Fahne geschrieben. Die Spezialisten für Sondermaschinenbau entwickeln und fertigen u.a. Maschinen zur Herstellung von medizintechnischen Produkten. Dabei geht es in der Regel um die Massenfertigung mit Stückzahlen von 500.000 pro Jahr und mehr. bei der Compamed 2017 präsentierten die Dresdener ein neues Dosiermodul, das eine Vielzahl von Materialien auf unterschiedliche Bauteile applizieren kann. „Hier geht es um das blasenfreie Kleben oder Vergießen, das auch in der Medizintechnik zunehmend eine Rolle spielt“, erklärt Peter Hammer, Leiter Vertrieb und Geschäftsentwicklung Medical. Xenon hat ein patentiertes Verfahren entwickelt, mit dem eine Dosiernadel z. B. für Kleber in einer Vakuumkammer beliebig vorgebbare Wege abfährt. „Der Vorteil dabei ist, dass wir die Kammern sehr klein bauen können. Das führt zu einem schnellen Vakuumaufbau von nur 0.8 s und kurzen Taktzeiten“, so Hammer.

Antriebe, die im Nanometerbereich positionieren können

Gerade einmal 11 g wiegt der Motor von Faulhaber, der einen Finger in der bebionic Handprothese von Ottobock bewegt. Insgesamt ermöglichen fünf Motoren mit Getriebe die Ausführung von vierzehn verschiedenen Griffmustern. Auch die Antriebstechnik ist fester Bestandteil der Compamed – ebenso wie die Firma Dr. Fritz Faulhaber. Inzwischen bietet das Unternehmen eine Vielzahl von Lösungen für Analysegeräten und Automaten in der Labortechnik an. Für das Verstellen von Optiken, Spiegeln oder Lasern stehen zudem extrem präzise Motoren zur Verfügung: „Mit ihnen können wir im Nanometerbereich positionieren“, sagt Frank Maier, Applikationsberater bei Faulhaber. Um das überhaupt feststellen zu können, wird ein geeignetes Messsystem benötigt. „Deshalb bieten wir das integrativ mit an, also als Komplettlösung“, so Maier. Damit steht Faulhaber für mehrere Trends der Compamed, die seit einigen Jahren gelten: Immer kleiner, immer kompakter, immer funktionaler. Und genau in diese Richtung dürfte es auch bei der nächsten, der Compamed 2018 in Düsseldorf (12. – 15. November) weitergehen.

Autor: Klaus Jopp, freier Wissenschaftsjournalist (Hamburg)

Weitere Informationen unter:
www.compamed.de

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